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Die Geschichte japanischer Rollenspiele

Vorwort

Meine Liebe für japanische Rollenspiele begann ca 1998. Ich habe vorher nahezu ausschließlich Spiele auf dem Amiga 500 meiner älteren Brüder gespielt, vornehmlich Simulationen: Civilization, Oil Imperium, Sensible Soccer. Rollenspiele kannte ich, waren mir aber zu komplex. Wie oft habe ich versucht, Dungeon Master zu spielen, nur um noch auf der ersten Etage zu sterben? Auch The Legend of Zelda für Super Nintendo, den mein Cousin besaß, war mir zu komplex – lieber Super Mario World.

Das änderte sich, als ich meinen Cousin Final Fantasy VII an seinem Computer spielen sah. Während sich mein Amiga vor allem durch lautes Diskettengestöhne auszeichnete, das zu nicht viel mehr als ein paar animierten Pixeln reichte, sah ich hier eine riesige Welt in 3D. Mehr noch: die Kämpfe wirkten actiongeladen, aber nicht wild. Irgendwie gab es eine Strategie, die ich aber noch nicht so recht verstand. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war mir klar: Ich benötige eine PlayStation, ich benötige Final Fantasy VII.

Und so kamen dann immer mehr japanische Spiele auf meine Konsole. Suikoden II, Breath of Fire III, Wild Arms. Als ich dann ein paar Jahre später bei einem Freund Final Fantasy X spielen durfte, war für mich erneut klar: Ich benötige eine PlayStation 2, ich benötige Final Fantasy X. Mit westlichen Rollenspielen konnte ich kaum etwas anfangen. Ich hätte sie ja auch nicht spielen können, meinen ersten eigenen Rechner bekam ich erst 2007 zu meinem 18. Geburtstag, und bis auf wenige Ausnahmen (Baldur’s Gate beispielsweise) kamen die West-RPGs ja auch nicht auf meine Konsolen.

So ging es dann immer weiter; für Xenoblade Chronicles brauchte ich eine Wii, für Xenoblade Chronicles X eine Wii U, für Xenoblade Chronicles 2 eine Switch. Immer waren japanische Rollenspiele für mich das Kauf- oder Nichtkaufargument einer Konsole. Und bis heute frage ich mich: wieso? Was fasziniert mich an diesen Spielen so sehr, dass ich kaum ein anderes Genre spielen will? Und das wirft direkt die nächste Frage auf: wieviel eigenes und abgrenzbares Genre ist japanisches Rollenspiel eigentlich? J-Pop ist anders als Brittney Spears, Manga ist anders als Batman, aber wieviel anders sind JRPGs im Vergleich zu Ultima oder Diablo? Und wenn sie anders sind: wieso sind sie anders? Haben sie sich vielleicht im Laufe der Zeit verändert, oder ist Final Fantasy XV (2016) doch das gleiche wie Dragon Quest (1986) – trotz 30 Jahren zeitlicher Differenz?

Bis heute habe ich nur wenige gute Antworten auf diese Fragen bekommen. Und in der Hoffnung, eine gute Antwort zu finden, habe ich dieses Buch begonnen. Es soll einen nicht allumfassenden Überblick darüber geben, woher japanische Rollenspiele kommen, wohin sie gingen und wo sie vielleicht hingehen werden. Das Buch gliedert sich in Beschreibungen einzelner Spiele, wobei es sich nicht um Reviews im eigentlichen Sinne handelt. Vielmehr werde ich versuchen, die Entwicklungen im japanischen (Rollen-)Spielmarkt an Hand dieser Beispiele zu erläutern und aufzudecken. Aus diesem Grund sind manche Spiele explizit aufgelistet, obwohl sie eventuell heutzutage keine große Relevanz mehr besitzen, aber einen großen Beitrag bei der Entwicklung des Genres leisteten, während andere Spiele nur am Rande oder gar nicht erwähnt werden, weil sie die Spiele weder signifikant nach vorne noch zurück befördert haben.

Nebenher versuche ich mich an einer Einteilung der Spiele in verschiedene Zeitalter. Die Vorzeit bis einschließlich 1985 zeichnet sich dadurch aus, dass Konventionen, die wir heute mit japanischen Rollenspielen assoziieren, noch nicht fest etabliert waren. Auch fehlt es noch an einem japanischen Geist, der die Spiele durchdringt. Stattdessen sind die westlichen Vorbilder Ultima und Wizardry allgegenwärtig, was sich nicht zuletzt an der Veröffentlichung des bis 1985 erfolgreichsten Rollenspiels Black Onyx ablesen lässt. Das Spiel wurde nämlich nicht von einem Japaner entwickelt.

Es folgt ein goldenes Zeitalter mit Veröffentlichung von Dragon Quest 1986, ein Spiel, das wir heute ohne Probleme den JRPGs zuordnen. Es folgen mehrere Spiele, die mehr oder minder stark der Dragon-Quest-Formel folgen und Schritt für Schritt neue Elemente in die japanische Spielelandschaft bringen. Erst mit Final Fantasy IV (1991) beginnt ein neues Zeitalter, in dem neue Erzählformen erprobt und etabliert werden – begleitet vom technischen Fortschritt, der die Spiele immer opulenter werden lässt.

Final Fantasy VII (1997) schließlich eröffnet eine ganz neue Epoche, mit noch mehr Experimenten in Erzählweise, Thematik und Technik. Nicht zuletzt die Speicherkapazitäten der optischen Datenträger erlaubten es, immer größere und längere Spiele zu entwickeln. Dieser Trend implodierte jedoch mit der Veröffentlichung der PlayStation 3 2006: japanische Entwickler, insbesondere in der Nische, konnten oder wollten nicht mehr beim technischen Wettrüsten nachlegen. So kam es zu einem kreativen wie kommerziellen Einbruch, der japanische Rollenspiele zunächst großteils auf Handheldkonsolen verdrängte. In den letzten Jahren ist der Computermarkt immer weiter gewachsen, wodurch wir derzeit eventuell auf ein neues goldenes Zeitalter zusteuern – insbesondere durch einen neuen Fokus auf westliche Erzählweisen japanischer Entwickler und der bewusste Zurückgriff auf Ästhetik und Spielgefühl japanischer RPGs durch westliche (Indie-)entwickler.

Die Einteilung von Rollenspielen in verschiedene Zeitalter findet sich auch für im Westen entwickelte Spiele. Matt Barton unterscheidet zwischen sechs Zeitaltern: dem dunklen Zeitalter (1974–1979), dem bronzenen Zeitalter (bis 1983), dem goldenen Zeitalter (ca. 1985–1993), dem Platinzeitalter (1996–2001) und schließlich dem modernen Zeitalter, in dem wir jetzt Leben.​[1]​ Man erkennt direkt einige Parallelen in diesen Einteilungen, doch werden wir im Laufe des Buches feststellen, dass es ganz gegenteilige Entwicklungen sind, die zu diesen Epochen führen.

Diese Einteilung ist natürlich willkürlich. Aber was ist nicht wilkürlich? Für den pragmatischen Leser empfehle ich daher die Einteilung von @cursedblessing auf Twitter: West-Klone (Pre-NES), Dragon-Quest-Klone (NES), Final-Fantasy-Klone (SNES-PS2) und Persona-Klone (PS3+). Irgendwie stimmt das nämlich.

Einzelnachweise

  1. [1]
    M. Barton, Dungeons and Desktops, 1st ed. A K Peters, 2008.

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