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Analyse

1999: A Moon Odyssey

Kitases 1999 ist der ultimative Trip. 1999: je mehr man es spielt, desto mehr sieht man darin. Lichtjahre seiner Zeit voraus ist Final Fantasy VIII ein spektakuläres Spiel, das mit fortschreitender Zeit immer weiter wächst. Es hat einen unglaublichen Umfang – was es mit einem Meisterwerk der Filmgeschichte verbindet.

Der Folgene Beitrag wurde von Aufziehvogel auf Anregung von mir geschrieben, nachdem er die Ähnlichkeit zwischen Final Fantasy VIII und 2001: Odyssee im Weltraum in einem Forenbeitrag angedeutet hatte. Folgt ihm auf Twitter (@TheAufziehvogel) für einen wilden Mix aus japanischer Literatur und Whiskeyliebe.

In einer Zeit, als Final Fantasy noch das Thema positiver und anregender Diskussionen war, mischten alle drei Final-Fantasy-Ableger auf der ersten PlayStation das Genre auf. Final Fantasy VII schrieb Videospielgeschichte, doch auch Final Fantasy IX glänzte besonders deshalb so wunderschön, weil es den Abgesang einer legendären 32-bit-Konsole einläutete.

Damit will ich nun nicht behaupten, Final Fantasy VIII verdiene eine stiefmütterliche Behandlung. Wie die beiden anderen nummerierten Titel hat das Spiel seinen Platz im Franchise, aber auch in der Welt der japanischen Rollenspiele gefunden. Doch Final Fantasy VIII hebt sich von jeglichen seiner Vorgänger, aber auch von den Ablegern, die folgen sollten, stark ab. Die Charaktere waren allesamt keine Sympathieträger oder edle Helden. Ganz zu schweigen von seinem Protagonist Squall, der mit seinen emotionalen Stimmungsschwankungen bipolare Züge annahm, für die Spieler unnahbar war und oftmals einfach nur arrogant wirkte.

Squalls Reise durch die namenlose Fantasy-Welt sollte aber kein Trip zur Selbstfindung werden, wo der Charakter am Ende geläutert ist, das Mädchen bekommt und alle glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende Zeit miteinander verbringen (auch wenn das Spiel diesen Anschein im Abspann erwecken mag). Im Verlauf des Spiels nimmt die Handlung etliche surreale Züge an. Am Ende bleiben haufenweise offene Fragen und zahlreiche Theorien der Spieler zurück. Die „Squall is Dead“ Theorie, die davon ausgeht, dass der Protagonist in der zweiten Hälfte des Spiels stirbt und die Geschehnisse sich nur noch im Unterbewusstsein eines sterbenden Squall abspielen, ist bis heute populärer Gesprächsstoff. Eine weitere beliebte Theorie ist „Rinoa is Ultimecia“. Die Macher, die hinter Final Fantasy VIII stecken, äußerten sich mehrmals, auch viele Jahre später, noch nicht komplett offen zu diesen Theorien. Game-Director Yoshinori Kitase dementierte, noch bestätigte er diese Theorien. Es dürfte an sich jedoch sehr unwahrscheinlich sein, dass wir jemals eine exakte Antwort auf die vielen Fragen und Theorien erhalten werden.

Final Fantasy VIII und die Odyssee im Weltraum

Eine Beobachtung, die bisher noch nicht so viel Gehör geschenkt bekommen hat, sind die Bezüge zwischen Final Fantasy VIII und Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Das Science-Fiction Opus erschien 1968 in den Kinos. Für das Drehbuch waren Kubrick und Science-Fiction Genie Arthur C. Clarke verantwortlich. Über Dekaden sollte der Film nicht nur Filmemacher sämtlicher Genre prägen, auch berühmte Videospiel-Designer wie Hideo Kojima ließen von dem Kultfilm ihr eigenes Werk beeinflussen. Ein Bekenntnis seitens der Final Fantasy VIII Macher gegenüber dem Einfluss von 2001 gab es nicht, aber im Spiel, ganz besonders die letzten Momente von Squalls Reise, sind mehr als genug Beweis dafür, dass entweder Kitase oder Autor Kazushige Nojima sich Inspirationen aus dem Film geholt haben.

Auf den ersten Blick sind Squall und Dr. Dave Bowman (der Protagonist aus 2001) zwei grundverschiedene Typen. Der eine ist überheblich und von sich selbst zu überzeugt, der andere ist hingegen besonnen, ruhig und auf eine bodenständige Art von seinen Fähigkeiten überzeugt. Die größte Gemeinsamkeit ist die Odyssee, die Squall und Dr. Bowman antreten (vide infra für eine genauere Analyse).

Optische Anspielungen auf 2001 bekommt der Spieler zu sehen, wenn Squall und seine Entourage die Lunar Base, eine Basis zur Mondbeobachtung, erreichen, auf der sie erstmals Laguna – der, wie das Spiel mehrfach andeutet, sehr wahrscheinlich Squalls Vater ist – treffen. Nun ist der Mond sicherlich kein neues Thema für das Final-Fantasy-Franchise. Die Herangehensweise ist jedoch völlig untypisch. Die Szenen mit Squall und Rinoa im Weltall gehören sicherlich zu den optisch beeindruckendsten FMV-Sequenzen im gesamten Spiel.

Doch je länger man sich diese Szene anschaut, umso mehr bemerkt man, wie deplatziert sie in einem Spiel wie Final Fantasy VIII doch auf einmal wirkt. Nichts deutete zu Beginn und auch viele Stunden danach darauf hin, dass das Szenario irgendwann einmal ins Weltall schwenken könnte. Es waren eher politische Konflikte in einer Fantasy-Welt, die den Ton im Spiel angaben. Die Szene mit einer schwebenden Rinoa im Raumanzug im Weltall wirkt hier schon beinahe wie ein Filmriss, bei dem eine Szene aus einem anderen Film rein geschnitten wurde. Doch diese lange Szene im Weltall, in der die Protagonisten einfach schweben und es nur seichte Musikuntermalung gibt, diese Szene dürfte jeder Fan von Kubricks Film wiedererkennen. Solch minimalistische Szenen sind ein Merkmal des Filmes und prägen sämtliche Szenen in Final Fantasy VIII, die im Weltraum spielen.

Eine finale Fantasie

Das größte Rätsel in Final Fantasy VIII für mich und wohl auch für die meisten Spieler ist das Ende. Eine rund zwanzigminütige Sequenz, die selbst im Abspann noch weiter läuft (ihren Höhepunkt aber bereits etwas früher bereits erreichte) und vermutlich fernab von dem ist, was die meisten Spieler sich je zu träumen wagten. Ein Großteil dieser Endsequenz besteht aus surrealen, teilweise stark abstrakten Bildern, die teilweise die gesamte Reise von Squall in Frage stellen und einmal mehr die Theorie des sterbenden Protagonisten, der das Ende seines Leidens erreicht hat, untermalen.

Doch auch hier gibt es wieder zahlreiche Bezüge zu Kubricks Film. 2001 ist in mehrere Teile unterteilt. Von gewöhnlicher Science-Fiction driftet der Film mit seinen minimalistischen Welraum-Szenen oftmals ins Arthouse-Genre ab, aber auch Science-Fiction-Horror wird im späteren Verlauf im Film eingeführt. Hier spielt jedoch kein außerirdisches Wesen eine Rolle, sondern die künstliche Schöpfung des Menschen. Isolation, Angst und Existenzialismus spielen im Film eine wichtige Rolle, allesamt Merkmale, die sich ganz langsam auch in Squalls Abenteuer ausbreiten. Das Ende von 2001 driftet jedoch von all diesen Punkten ab und ist mit bloßen Worten kaum zu beschreiben. Der finale Höhepunkt der Odyssee von Dr. Bowman ist ein wahnwitziger Trip. Eine wirklich befriedigende Auflösung der Geschehnisse wird man vergebens suchen, stattdessen wird der Zuschauer die Bilder nicht vergessen, die Kubrick hier serviert.

Genau hier kommt das Schicksal von Squall und Dr. Bowman wieder zusammen. Ihre Reise endet nahezu identisch. Bilder verschwimmen, die Musik verformt sich zu einem bizarren Schauerspiel. In beiden Werken werden Zuschauer und Spieler mit einer regelrechten Reizüberflutung konfrontiert. Immer wieder wird Squalls Fiebertraum in der finalen FMV-Sequenz von Szenen aus dem Weltraum unterbrochen. Es ist, als hätte er wie Dr. Bowman Schall und Raum durchbrochen. Doch diese rasante Irrfahrt beruhigt sich irgendwann. Beide Protagonisten erreichen ihr Ziel, das Bild beruhigt sich, die Musik nimmt wieder normale Klänge an und der abstrakte Aspekt wird einige Gänge zurückgeschraubt.

Während Kubricks Film an dieser Stelle endet, krönt Final Fantasy VIII die Szenerie sogar noch. Direkt nach Squalls Irrfahrt, als sich die Bilder beruhigten und anscheinend die ultimative Auflösung auf die Spieler wartet, gibt es einen Schnitt auf eine weitere FMV-Sequenz, begleitet vom kitschigen Titelsong „Eyes on Me“ von Faye Wong (das erste gesungene Lied in der Geschichte von Final Fantasy). Da bekommt der Spieler auf einmal das Ende vorgesetzt, was er sich doch so sehnsüchtig die ganze Zeit gewünscht hat. Diese Ansammlung an losen, fröhlichen Szenen wirkt wie ein letzter Seitenhieb der Macher. Aufgesetzt und künstlich wird hier das Schicksal des Protagonisten regelrecht verdrängt. Die letzten Szenen tatsächlich korrekt zu deuten ist so gut wie unmöglich. Ebenfalls wie in 2001 kommen hier die Optimisten und die Pessimisten ins Spiel, die allesamt ihre eigenen Theorien abgeben (Rinoa holt Squall von den Toten zurück oder aber Squall hat sein Ende erreicht). Im Abspann ist der gesamte Cast des Balamb Garden noch einmal unter dem Final-Fantasy-Theme glücklich vereint zu sehen. Der Optimist kann davon ausgehen, dass die Person, die dieses glückliche Miteinander aus der Ich-Perspektive filmt, Squall ist. Der Pessimist wird wohl eine andere Theorie auf Lager haben, nämlich, dass Squall im Jenseits angekommen ist.

Doch der Pessimist wird Lügen gestraft. Wie kann sich der Protagonist nach seiner Irrfahrt im Jenseits befinden, wenn es dort auch Selphie Tilmitt gibt? Genau wie in Kubricks Film bleibt auch hier nur eine logische Antwort: Der Protagonist hat das Fegefeuer erreicht!

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